Dienstag, 22. August 2017
Schwindelfrei
Mein Großvater mütterlicherseits hatte entsetzliche Höhenangst.
Er arbeitete im Bergbau in den tiefsten Stollen, wo er nur nach oben gucken konnte.
Einen dieser tiefen Stollen hatte er auch in meiner Großmutter gefunden, die einen gesunden Jungen zur Welt brachte, der ebenfalls an diesen Schwindelanfällen litt und sein Leben überwiegend als Tiefseetaucher bei Jacques Cousteau verbrachte.

Mein Bruder ist der nächste Fluchträger dieser Reihe.
Er wohnt in einer Kellerwohnung unter der Tiefgarage und arbeitet als U-Bahnfahrer auf Helgoland.
Diese Insel hat er erwählt, weil ihn der Name dran erinnert, lieber in der Hölle landen zu wollen, als in lichten Höhen des Himmels.

Nur ich wurde verschont und lebe frei und glücklich als Eichkätzchenjäger. Natürlich jage ich sie mit den Händen und ohne sie zu verletzen. Dann bilde ich sie zu perfekten Taschendieben aus und bin auf den Volksfesten rund um die Erde unterwegs, wo die Eichkätzchen ihr Diebesgut in Riesenrädergondeln erbeuten, da können die Opfer nicht flüchten.
Vielleicht haben Sie schon in diversen Nachrichtenkanälen Berichte über die Oachkatzl-Bande gelesen oder waren selbst betroffen.
Wenn nicht, hatten Sie einfach Glück gehabt, aber wenn Sie lange genug Riesenrad fahren, wird sich das Blatt schon noch wenden.

Probleme bereitet mir nur mein Sohn.
Leider ist er nicht schwindelfrei, obwohl ich mich so sehr darum bemüht habe und hatte.
Irgendetwas ist bei meinen Erziehungsbemühungen entsetzlich schief gelaufen und ich fühle mich als Totalversager.
Mein Sohn lügt und lügt und lügt, ganz im Gegensatz zu mir.

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