Mittwoch, 1. November 2017
Oma
Alte Frauen, die nach alten Frauen riechen mag ich.
Meine Oma roch streng, nach alter Pisse und alter Frau und so verbinde ich den Geruch immer mit Geborgenheit.
Sie wurde 1896 oder 1898 geboren.
Zwei erlebte Weltkriege, ein verlorener Sohn und jede Menge Geschichte/n, die ich nie erfuhr.

Wir hatten damals kein Badezimmer, nur eine Waschschüssel und nicht einmal warmes Wasser, außer wir erhitzten es auf unserem Gasherd.
So war Körperpflege mit täglich Duschen einfach nicht drin.
Man wusch sich mit Waschlappen und Kernseife Oberkörper und Achseln und als Kind war es normal, nur alle drei - vier Wochen ein Wannenbad in der Zinkwanne, die sonst eigentlich für Kochwäsche gedacht war, zu Baden, nachdem die Großmutter drin gebadet hatte.
Es gab frisches heißes Wasser drauf und fertig.

Meinen Großvater habe ich nie Baden sehen, allerdings roch er auch nicht, außer nach Tabak und Bier und so vermute ich, dass er ins öffentliche Wannenbad ging und dort badete.

Wir hatten kein Auto, nur ein Fahrrad, auf dessen Lenker mich mein Großvater öfter mitnahm, nachdem ich mir, auf dem Gepäckträger sitzend, zwei, drei Mal den großen Zeh in den Hinterradspeichen eingeklemmt hatte. Vorne am Lenker lehnte ich mich an seine breite Schulter, ließ die Beine baumeln und fühlte mich sicher.

Die Toilette war im Flur, wir putzten uns den Hintern mit klein geschnittenem Papier der Tageszeitung, das Geld war dementsprechend auch knapp, aber ich habe nie mehr Geborgenheit und Freiheit erlebt, als hier, in den Sommerferien.

Jetzt können wir auch Großeltern sein, aber ich glaube nicht, dass ich jemals diesen Geruch und diese Gefühle vermitteln werde.

Die Zeiten haben sich geändert und ich bin nicht meine Großeltern.
Schade, irgendwie.

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Geschenkt
Vor langer Zeit, also vor so fünfzig Jahren, als ich Anfang Zwanzig war, verkaufte ich Erdbeeren an eine Frau mit Erdbeerallergie.
Keine Ahnung, warum mir das gerade einfällt und vielleicht waren es auch weniger als fünfzig Jahre, mein Zeitgedächtnis ist nicht besonders gut, aber der Verkauf fand statt.

Hoffentlich wurden die Erdbeeren nicht von ihr gegessen, aber wenn doch, habe ich dann eine Mitschuld am Kauf dieses Produktes, wenn es anschließend zu Leid und gesundheitlichen Problemen führte?

Ist der Waffenverkäufer Schuld, wenn die Waffe benutzt wird?

Darf ich Linde und Birke und Haselnusssträucher pflanzen, wenn sich dahinter ein Kinderschänder verstecken kann?

Macht es Sinn fürs Rote Kreuz zu spenden, wenn gleichzeitig mein Drogenhandel diese Spenden finanziert?

Kurz, was ist Gut und was ist Böse?

Kürzlich las ich den Spruch, "Es gibt kein Gut und auch kein Böse, nur Täter und Opfer" und diese Rollen sind fließend und ändern sich ständig.
Das Opfer wird zum Täter, der Täter zum Opfer und wenn dem so ist, ist geschichtlich betrachtet, alles gleichgültig.
Oder doch nicht?

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